Mitbestimmung des Betriebsrats bei innerörtlicher Versetzung der Kollegin bzw. des Kollegen…

 

so entschied das Landesarbeitsgericht Nürnberg (kurz: LAG) am 10.05.2021 (1 TaBV 3/21).

Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs für länger als einen Monat ist mitbestimmungspflichtig. Ein anderer Arbeitsbereich liegt auch ohne Änderung der Arbeitsaufgabe oder der Eingliederung in die betriebliche Organisation dann vor, wenn die Arbeitsleistung in einem innerörtlichen 12 km vom ursprünglichen Arbeitsort entfernten Arbeitsort erbracht werden muss.

In dem Beschlussverfahren verlangte der Betriebsrat die Aufhebung von mehreren personellen Maßnahmen. Die Arbeitgeber betreiben gemeinsam einen Servicebetrieb. Die Arbeitnehmer/innen haben die Aufgabe Waren-/ Patienten-/ Leichentransporte in den Kliniken A und B durchzuführen. Die Entfernung der beiden in einer Großstadt befindlichen Kliniken beträgt 12 km. Üblich ist in diesem Servicebetrieb der Abschluss von Rahmendienstplänen für einen Zeitraum von 3 Monaten für alle Beschäftigten des Servicebetriebes. Die Rahmendienstpläne werden durch die von Abteilungsleitern bzw. Vorgesetzten erstellten Einzeldienstpläne ausgefüllt. Zwei bisher in der Klinik A beschäftigte Arbeitnehmer wurden vom Abteilungsleiter zur Tätigkeit in Klinik B eingeteilt, ein bisher in Klinik B tätiger Arbeitnehmer zur Arbeitserbringung in Klinik A.

Der Betriebsrat hielt diese Einteilungen aufgrund der Änderung des Arbeitsortes für mitbestimmungspflichtige Maßnahmen, weil es nach seiner Auffassung um Versetzungen handeln würde. Die Arbeitgeber bestritten das Vorliegen der für die Mitbestimmung erforderlichen Voraussetzungen. So gebe es keine Änderung des konkreten Arbeitseinsatzes des Transportdienstes. Unverändert sei die Tätigkeit sowie die Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten dieselben Vorgesetzten und wären in dieselbe Betriebsorganisation eingegliedert. Von daher sei der Betriebsrat nicht zu beteiligen gewesen.

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg sah hierin mitbestimmungspflichtige Versetzungen. Die Arbeitgeber wurden gemäß § 101 BetrVG zur Aufhebung der personellen Maßnahmen verpflichtet.

Gemäß § 95 Abs. 3 BetrVG gibt es 2 Arten von Versetzungen, die der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG unterfallen:

  • Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs für einen Zeitraum von weniger als einen Monat, wenn dieses mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist.
  • Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs für eine längere Zeit als einen Monat.

Im zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob in der Einteilung der drei Arbeitnehmer die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs für länger als einen Monat vorliegt. Letzteres liegt vor, da der Einsatz 3 Monate erfolgen sollte.

Was heißt „Arbeitsbereich“ im juristischen Sinne?

Als Arbeitsbereich gilt entsprechend § 81 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den betrieblichen Arbeitsablauf. Danach liegt ein anderer Arbeitsbereich immer dann vor, wenn sich die Tätigkeiten so voneinander unterscheiden, dass sich die neue Tätigkeit in den Augen eines die betrieblichen Verhältnisse kennenden Beobachters als eine „andere“ darstellt. Das Gesamtbild muss sich also verändert haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das auch bei einer Änderung des Arbeitsortes vorliegen (BAG vom 29.09.2020 – 1 ABR 21/19).

Für das Landesarbeitsgericht Nürnberg lag ein anderer Arbeitsbereich alleine infolge der Zuweisung des 12 km vom bisherigen Arbeitsortes entfernten anderen Arbeitsort vor. Genau wie das Arbeitsgericht sah das Landesarbeitsgericht eine maßgebende Änderung des Gesamtbildes infolge der Herausnahme der Arbeitnehmer aus einer bestehenden Organisationseinheit und Beschäftigung an einem anderen Ort. Auch liegt bei 12 km Entfernung kein die Mitbestimmung ausschließender Bagatellfall vor.

KanzleiMack-Tipp:

Es ist zu empfehlen, den Betriebsrat um seine Zustimmung vorsorglich zu ersuchen. Betriebsräte sollten jegliche innerbetriebliche personelle Bewegung sorgfältig beobachten und immer überprüfen, ob eine Mitbestimmung besteht.

 

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