Immer wieder taucht die Frage auf, ob die Stellenabsage gegenüber einem schwerbehinderten Bewerber einer Begründung bedarf?
Diese Frage wird kontrovers diskutiert. Mit Hilfe der Begründungspflicht des § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX soll das Einstellungsverfahren für den schwerbehinderten Menschen transparent und überprüfbar gemacht werden.
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Unterrichtungspflicht unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seiner Beschäftigungspflicht gemäß § 154 SGB IX nachgekommen ist, eingreift. Während sich § 164 Abs. 1 Satz 8 SGB IX mit der Einleitung „dabei“ auf Satz 7 bezieht, welcher die Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht voraussetzt, fehlt in Satz 9 eine entsprechende Verknüpfung.
Wie auch bei anderen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, kann aus einem Verstoß gegen § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX grundsätzlich die Vermutung i.S.v. § 22 AGG einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung abgeleitet werden (BAG vom 28.09.2017 – 8 AZR 492/16). Die in § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX vorgesehene unverzügliche Unterrichtung ist nach dem BAG nur dann erforderlich, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 Satz 7 SGB IX gegeben sind. Dort sind 2 Voraussetzungen genannt, die kumulativ erfüllt sein müssen: Danach besteht die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung nach § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX für den Arbeitgeber nur, wenn – einerseits – die gesetzliche Beschäftigungspflicht schwerbehinderter Menschen nicht erfüllt und – andererseits – die Schwerbehindertenvertretung oder eine der in § 176 SGB IX genannten Vertretungen mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden ist (BAG vom 28.09.2017).
Was bedeutet das für die Praxis?
Werden keine Gründe mitgeteilt, kann allein deshalb eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft widerleglich vermutet werden (LAG Hessen vom 07.11.2005 – 7 Sa 473/05). Aus einer Verletzung der Pflicht, die getroffene Besetzungsentscheidung mit allen Beteiligten zu erörtern, kann grundsätzlich eine Indizwirkung (§ 22 AGG), dass der Arbeitgeber den/die Bewerber/in wegen seiner Schwerbehinderung nicht berücksichtigt habe, abgeleitet werden (BAG vom 21.02.2013 – 8 AZR 180/12).
Vor diesem Hintergrund empfehle ich, dass eine Stellenabsage gegenüber einem schwerbehinderten Stellenbewerber mit einer Begründung erfolgt. Ebenso ist zu empfehlen, dass während des Auswahlverfahrens eine Synopse mit allen Bewerbern erarbeitet wird, aus der sich dann alle in der Ausschreibung genannten Kriterien ersehen lassen und somit die verlangten spezifischen Anforderungen transparent werden.